Bild1: Kater mit einer Schilddrüsenüberfunktion
Schilddrüsenüberfunktion der Katze
(Feline Hyperthyreose)
Allgemeines
Die Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) ist die häufigste hormonelle Erkrankung der älteren Katze. Die Ursache ist eine Überproduktion von Schilddrüsenhormonen. Schilddrüsenhormone spielen eine wichtige Rolle in der Aktivitätsregelung von Stoffwechselvorgängen. So werden bei Katzen mit einer Schilddrüsenüberfunktion die Stoffwechselvorgänge deutlich beschleunigt, was sehr viel Energie verbraucht, und den Organismus längerfristig stark belastet. Die Schilddrüse befindet sich bei der Katze unterhalb des Kehlkopfes, und besteht aus zwei nicht miteinander verbundenen Schilddrüsenlappen, die man bei Schilddrüsengesunden Katzen normalerweise nicht ertasten kann.
Die Schilddrüse ist ein hormonbildendes Organ. Dabei bilden die Follikelzellen die Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Trijodthyrosin (T3), welche dann in der Speicherform als Thyreoglobulin in den Follikeln (Bläschen) der Schilddrüse gespeichert werden, und bei Bedarf wieder freigesetzt werden können. Die Schilddrüse produziert aber nicht nur Schilddrüsenhormone. Sogenannte C-Zellen, welche zwischen den Schilddrüsenzellen liegen, produzieren das für den Kalziumstoffwechsel wichtige Calcitonin. In unmittelbarer Nähe der Schilddrüse befinden sich die Nebenschilddrüsen (Parathyreoidea), welche das lebenswichtige Parathormon bilden, das ebenfalls für den Kalziumstoffwechsel von großer Bedeutung ist, und den "Gegenspieler" des Calcitonins darstellt. Die lebensnotwendige Nebenschilddrüse besteht aus 4 einzeln Epithelkörperchen.
Der Krankheitsverlauf ist nicht bei jeder Katze gleich, aber in der Regel ist die Symptomatik zunehmend und führt unbehandelt letztendlich häufig zu einem tödlichen Ausgang. Problematisch bei der Schilddrüsenüberfunktion ist, daß es den betroffenen Katzen im Anfangsstadium der Erkrankung in der Regel sehr gut geht, die betroffenen Katzen oft sogar wieder deutlich aktiver und lebensfreudiger sind. Mit dem Fortschreiten der Erkrankung stellen sich dann nach und nach die typischen Symptome der Schilddrüsenüberfunktion ein, und die Katzen erscheinen nun häufig auch deutlich krank, wobei meist immer noch die Futteraufnahme gesteigert ist.
Bild2: Ein weiterer Kater mit einer Schilddrüsenüberfunktion kurz nach erfolgter Radiojodtherapie
Wurde früher die Diagnose meist erst in einem deutlich fortgeschrittenem Stadium gestellt, so geschieht dies heutzutage zunehmend früher. Zum einen achten die Tierärzte heute vermehrt auf diese Erkrankung und werden mit dem Krankheitsbild zunehmend vertrauter, zum anderen wird aber auch das Schilddrüsenhormon T4 bei der routinemäßigen Vorsorgeuntersuchung älterer Katzen häufig mitbestimmt. So gibt es immer mehr Katzen, denen man ihre Schilddrüsenprobleme noch gar nicht ansieht, wie dies früher in der Regel der Fall war. Je früher man diese Erkrankung diagnostiziert, desto besser ist die Prognose, da in der Regel die gefürchteten Folgeerkrankungen noch nicht so weit fortgeschritten sind. Heutzutage ist die Schilddrüsenüberfunktion, wenn sie frühzeitig diagnostiziert wird und noch keine Folgeschäden eingetreten sind, in der Regel sehr gut behandelbar
Die Ursache dieser Erkrankung ist nach wie vor unbekannt. Erstmalig beschrieben wurde eine klinisch festgestellte Schilddrüsenüberfunktion bei der Katze um das Jahr 1980 in einer amerikanischen Publikation. Seitdem wird diese Erkrankung weltweit zunehmend häufiger diagnostiziert. Dabei ist aber noch immer unklar, ob es sich wirklich um eine Zunahme dieser Erkrankung handelt, oder ob diese Erkrankung früher einfach nur übersehen wurde, und als Todesursachen die Folgeerkrankungen angesehen worden sind. Hinzu kommt, daß diese Erkrankung hauptsächlich ältere Katzen betrifft, und wir in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme der Lebenserwartung der Katzen zu verzeichnen hatten. Das Durchschnittsalter der Katzen bei denen eine Schilddrüsenüberfunktion diagnostiziert wird, liegt bei 13 Jahren.
Bei 70-75% der Katzen sind beide Schilddrüsenlappen betroffen. Viele Untersuchungen werden und wurden angestellt, um Zusammenhänge der Lebensumstände mit dem Auftreten einer Schilddrüsenüberfunktion in Verbindung zu bringen. Hierbei steht vor allem auch die Fütterung im Mittelpunkt des Interesses, zumal das vermehrte Auftreten dieser Erkrankung in den USA mit der Einführung der komerziellen Katzennahrung zusammenfällt. So wurde die Erkrankung erstmalig etwa 15 Jahre nach der Einführung komerzieller Fertignahrung beschrieben, also bei einer Katzengeneration, die erstmalig voll mit kommerziellem Katzenfutter aufgezogen und ernährt worden ist. Allerdings wurden bei Sektionen schon sehr viel früher Schilddrüsenveränderungen festgestellt. Inwieweit die Fütterung tatsächlich eine Rolle in der Entstehung dieser Erkrankung steht, kann noch nicht abschließend beurteilt werden.
Studien lassen vermuten, daß folgende Faktoren die Krankheitsentwicklung begünstigen könnten: Ernährung hauptsächlich durch Dosennahrung, reine Wohnungshaltung, Benutzung von Katzenstreu, Katzen, die Dosennahrung mit Fisch-, Lebergeschmack bevorzugen. In Studien konnte gezeigt werden, daß der Jodgehalt der Katzennahrung in keinem Zusammnehang mit der Krankheitsentstehung steht. Ob in Soyabohnen vorkommende, die Schilddrüsenzellen beeinflussnede Stoffe eine Rolle bei der Krankheitsentstehung spielen, muss noch weiter abgeklärt werden. Sojaprotein wird häufig als hochwertige pflanzliche Proteinquelle der Katzennahrung zugesetzt.
Neben diesen von außen auf die Katze einwirkenden Faktoren werden auch individuelle genetische und immunologische Faktoren diskutiert.
Wie bereits erwähnt haben Katzen mit einer Schilddrüsenüberfunktion zuviel Schilddrüsenhormone im Blut. Normalerweise wird die Konzentration der Schilddrüsenhormone im Blut durch einen Regelkreis sehr genau vom Körper kontrolliert. Hierbei spielt das TSH (Schilddrüse (Thyreoidea) stimmulierendes Hormon), welches von der Hirnanhangsdrüse in den Blutkreislauf abgegeben wird eine wichtige Rolle. Je nachdem, ob zuwenig oder zuviel Schilddrüsenhormone im Blutkreislauf zirkulieren, schüttet die Hirnanhangsdrüse mal mehr oder weniger TSH aus. Auf den Zellen der Schilddrüse befinden sich TSH-Rezeptoren (Bindungsstellen), an denen das TSH binden kann, und die Schilddrüsenzellen daraufhin veranlaßt, Schilddrüsenhormone in den Blutkreislauf abzugeben. Steigt der TSH-Blutspiegel aufgrund eines zu niedrigen Schilddrüsenhormonspiegels im Blut an, so führt das zu einer vermehrten Freisetzung von Schilddrüsenhormonen. Fällt das TSH hingegen ab, werden weniger Schilddrüsenhormone durch die Schilddrüse freigesetzt. Bei Katzen mit einer Schilddrüsenüberfunktion funktioniert dieser Kontrollmechanismus der Schilddrüsenhormonfreisetzung nicht mehr.
Ein Teil der Schilddrüsenzellen sind bei diesen Katzen außer Kontrolle geraten, und lassen sich nicht mehr durch das TSH kontrollieren. Diese Zellen produzieren unkontrolliert (autonom) Schilddrüsenhormone, und geben diese dann in den Blutkreislauf ab. Die noch gesunden Schilddrüsenzellen bilden sich zurück, und stellen die Schilddrüsenhormonproduktion aufgrund des sehr niedrigen TSH-Spiegels ein.
Bei den veränderten, autonomen Schilddrüsenzellen handelt es sich in der Mehrzahl der Fälle um einen gutartigen Tumor der Schilddrüse (autonomes Adenom). Generell wird angenommen, daß etwa 95% der Schilddrüsenveränderungen, die MIT einer Schilddrüsenüberfunktion einhergehen gutartig sind, und in lediglich 2-5% der Fälle ein bösartiger Tumor (Schilddrüsenkarzinom) vorliegt.
Desweiteren gibt es bösartige Schilddrüsentumore, die keine Schilddrüsenhormonsynthese mehr besitzen, und somit auch nicht mit einer Schilddrüsenüberfunktion einhergehen. Es besteht allerdings auch noch die Möglichkeit, daß neben einem hormonproduzierendem (funktionellen) Schilddrüsenkarzinomen Metastasen vorhanden sind, die keine Schilddrüsenhormone mehr synthetisieren können.
Symptomatik
Die Schilddrüsenüberfunktion gilt heute vor dem Diabetes mellitus als häufigste hormonelle Erkrankung der Katze. Die Mehrzahl der betroffenen Katzen ist bei der Diagnose über 8 Jahre alt, wobei das Durchschnittslebensalter der Katzen bei Diagnosestellung bei etwa 13 Jahren liegt. Bei Katzen unter 4 Jahren ist eine Schilddrüsenüberfunktion extrem selten. Eine Rassendisposition für die Schilddrüsenüberfunktion ist bisher nicht bekannt, allerdings sind Siamkatzen sowie Himalayakatzen eventuell weniger häufig von dieser Erkrankung betroffen, als andere Katzenrassen. Männliche und weibliche Katzen sind gleichhäufig betroffen.
Bild3: Älterer Kater mit einer ausgeprägten Schilddrüsenüberfunktion
Wie bereits erwähnt, geht es den Katzen zu Beginn der Erkrankung meist sehr gut, zeitgleich beginnen sich aber bereits die gefürchteten Komplikationen dieser Erkrankung, wie etwa Herzmuskelveränderungen und Bluthochdruck zu entwickeln. Einige Symptome, wie etwa der Gewichtsverlust und das ungepflegt erscheinendere Fell werden von den Besitzern auch dem natürlichen Alterungsprozess zugeschrieben und als weniger beunruhigend empfunden. Zu den typischen Symptomen und Befunden der Schilddrüsenüberfunktion, die auch durch den Katzenhalter beobachtet werden können, zählen:
In weniger als 15% der Fälle zeigt sich eine vollkommen andere Symptomatik, wobei die oben genannten Symptome eventuell die Monate zuvor durchaus vorhanden waren. In diesen Fällen sind die Katzen schlapp, nehmen kein Futter auf, und erscheinen deutlich krank und es liegt meist auch eine zweite schwerwiegende Erkrankung vor. Die Prognose ist in diesen Fällen meist deutlich schlechter zu stellen, und hängt in der Regel hauptsächlich von der zusätzlichen Erkrankung, und meist weniger von der Schilddrüsenüberfunktion ab.
Da das klinische Bild der Schilddrüsenüberfunktion sehr vielfältig sein kann, ist es ratsam, beim Vorliegen eines oder mehrerer der oben genannten Symptome und Befunde, immer auch die Schilddrüse mit abzuklären. Dies gilt besonders bei älteren Katzen, die an chronischen Magen-Darmproblemen, Herzerkrankungen, Diabetes Mellitus und schlechte "Leberwerten" leiden. In diesen Fällen steckt nicht selten eine Schilddrüsenüberfunktion als eigentliche Krankheitsursache hinter den Symptomen.
Diagnose
Die Diagnose erfolgt über eine genaue Aufnahme der Krankheitsgeschichte (Anamnese) sowie klinische und weiterführenden Untersuchungen. Bei der Untersuchung kann man in etwa 70% der Fälle eine oder mehrere, leicht verschiebliche derbe Umfangsvermehrung/en Bild4: großer Schilddrüsentumor, der sich deutlich unter der Haut abzeichnet im Bereich zwischen Kehlkopüf und Brusteingang fühlen. Da die Schilddrüse mit dem umliegenden Gewebe nur sehr locker verbunden ist, kann es sein, daß der Tumor beim Abtasten hinter die Luftröhre gerät, und dann nur noch schwer ertastet werden kann. Ist kein Tumor fühlbar, dann kann es sein, daß der Tumor der Schwerkraft folgend in die Brusthöhle versackt ist, und somit nicht mehr ertastet werden kann. Desweiteren kommt auch immer wieder versprengtes (akzessorisches/dystopes)Schilddrüsengewebe vor. Dabei handelt es sich um Schilddrüsenzellen/zellpakete, die sich aufgrund der Embryonalemntwicklung zwischen Zungengrund und Herzbasis befinden können, und gleichfalls autonom schilddrüsenhormonproduzierende Tumore hervorbringen können. Bei schilddrüsengesunden Katzen ist die Schilddrüse nicht tastbar. Allerdings geht nicht jede tastbare Schilddrüse mit einer Schilddrüsenüberfunktion einher. Hinzu kommt, daß Umfangsvermehrungen anderern Ursprungs mit einem Schilddrüsentumor verwechselt werden können. Kommen zu einer tastbaren Umfangsvermehrung im Bereich der Schilddrüse noch einige der oben beschriebenen Symptome hinzu, dann ist die Diagnose "Schilddrüsenüberfunktion" recht wahrscheinlich.
Bestätigt wird die Verdachtsdiagnose in der Regel durch eine Blutuntersuchung. Hierbei gilt, daß ein Thyroxinwert (T4-Wert) über dem Normbereich eindeutig für das Vorliegen einer Schilddrüsenüberfunktion spricht. Liegen deutliche klinische Anzeichen einer Schilddrüsenüberfunktion vor, der T4-Wert befindet sich aber im oberen Normbereich, dann sollte trotzdem eine Schilddrüsenüberfunktion weiterhin in Betracht gezogen werden. In diesen Fällen kann es sinnvoll sein, einige Tage später eine zweite Bestimmung des T4-Wertes durchführen zu lassen, da die Schilddrüsenhormone in der Regel im Verlauf einiger Tage periodisch schwanken. Alternativ stehen Funktionstests zur überprüfung der Schilddrüsenfunktion zur Verfügung. Liegt neben der Schilddrüsenüberfunktion noch eine weitere schwere Erkrankung vor, dann kann der T4-Wert dadurch supprimiert werden. In Zukunft steht vermutlich auch die Bestimmung des TSH Wertes zur Verfügung, welcher bei einer Schilddrüsenüberfunktion in der Regel deutlich erniedrigt ist.
Bild5: Szintigramm
Neuerdings ist es auch zunehmend möglich eine Szintigraphie zur Funktionsdiagnostik der Schilddrüse durchführen zu lassen. Dieses Verfahren steht allerdings nur in wenigen spezialisierten Einrichtungen zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, welches die Beurteilung der Schilddrüsenfunktion erlaubt. Funktionell aktives Gewebe nimmt hierbei einen intravenös verabreichten radioaktiven Marker (i.d.R. TC-99m) auf, und kann dann mit Hilfe einer Gammakamera dargestellt werden. Die Szintigraphie ermöglicht auch die Darstellung von funktionellem Schilddrüsengewebe, das sich innerhalb des Brusthöhle befindet und mit anderen diagnostischen Verfahren in der Regel nicht nachgewiesen werden kann. Normlerweise erfolgt diese Untersuchung in tiefer Sedation, da sich die Katze für die Zeit der Bildaufnahme möglichst nicht bewegen darf. Die zusätzliche Strahlenbelastung durch dieses Verfahren ist sehr gering, da bereits geringste Mengen Tc-99m ausreichen, und die Halbwertszeit von Tc-99m mit 6 Stunden sehr kurz ist. Da Katzen allerdings nach der Strahlenschutzverordnung als "Sachen" gelten, und für Tiere im Gegensatz zum Menschen noch keine Ausnahmeregelungen existieren, müssen die Katzen nach der Untersuchung noch für etwa einen Tag stationär untergebracht werden, bis die Restaktivität unter die Freigrenze gefallen ist und die Katzen entlassen werden können.
Über eine Blutuntersuchung kann man relativ häufig eine Erhöhung des Leberenzyms GPT (ALT) finden. Seltener sind bei KAtzen folgende Blutparameter erhöht: AP, LDH, GOT(AST), Harnstoff, Kreatinin, Blutglucose, Phosphor und Bilirubin. Man sollte aber bedenken, daß diese Parameter auch bei anderen Erkrankungen verändert sein können.
Behandlungsmöglichkeiten
Wurde eine Schilddrüsenüberfunktion diagnostiziert, dann gibt es verschiedene Möglichkeiten der Behandlung. Alle Behandlungsmöglichkeiten haben zum Ziel, die Schilddrüsenhormone im Blut möglichst auf ein Normalmaß zu reduzieren.
Bis vor einiger Zeit gab es in Deutschland lediglich zwei Behandlungsmöglichkeiten, und zwar die medikamentelle Therapie, bei der die Produktion der Schilddrüsenhormone mit Hilfe eines Thyreostatikums gehemmt wird, und die chirurgische Entfernung des veränderten Schilddrüsengewebes. Seit wenigen Jahren steht in Deutschland mit der Radiojodtherapie eine weitere, praktisch nebenwirkungsfreie und dabei hocheffektive Therapiemöglichkeit zur Verfügung. Leider wird dieses Verfahren in Deutschland z.Zt nur an der Justus-Liebig-Universität in Giessen angeboten.
Durch alle drei Therapiemethoden kann den betroffenen Katzen in der Regel gut geholfen werden. Eine gefürchtete Komplikation, die bei allen Therapiemethoden vorkommt, ist eine mögliche Verschlechterung der Nierenfunktion. Eine Schilddrüsenüberfunktion kann eine vorliegende Niereninsuffizienz bei der Katzen maskieren, so daß nach der Therapie Symptome einer Niereninsuffizienz hervortreten könen. Da die Nieren zum Untersuchungszeitpunkt durch die Schilddrüsenüberfunktin zusätzlich angetrieben werden, erscheint die Nierenfunktion besser zu sein, als sie es tatsächlich ist. Deshalb ist es sehr wichtig, daß man die Nierenfunktion vor einer Behandlung genauer unter die Lupe nimmt. Leider gibt es keine praktikable Möglichkeit vorherzusagen, in welchem Ausmaß die Nierenfunktion durch die Therapie zurückgehen wird. In der Regel kann man sagen, daß wenn sich die Nierenparameter vor der Therapie noch im Normbereich befinden, es eher unwahrscheinlich ist, daß es im Jahr nach der Therapie zu Symptomen einer Niereninsuffizienz kommt. Problematischer sieht es aus, wenn die Nierenparameter bei bestehender Schilddrüsenüberfunktion bereits erhöht sind. Hier kann es sein, daß die Katze nach der Therapie Symptome einer Niereninsuffizienz entwickelt. In fraglichen Fällen ist es deshalb sinnvoll, zuerst einmal eine Medikamentelle Therapie zu beginnen, da man hier im Falle einer auftretenden Nierenproblematik durch eine einfache Dosisreduktion oder ein Absetzen der Therapie den Ursprungszustand wieder herstellen kann, was nach einer kausalen Therapie (Operation, Radiojodtherapie) nicht mehr möglich ist. In diesen (eher seltenen) Fällen kann es somit sinnvoll sein, die Katze in einer gewissen Schilddrüsenüberfunktion zu belassen.
Es muss aber auch bedacht werden, daß die Nieren durch die Schilddrüsenüberfunktion deutlich stärker belastet werden, als wenn die Katze schilddrüsengesund wäre. Es wird auch allgemein angenommen, daß die Nieren durch die Folgen der Schilddrüsenüberfunktion längerfristig zusätzlich geschädigt werden.
Neben der Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion ist es auch wichtig, die eventuell vorliegenden Folgeerkrankungen zu behandeln. So sollte der Blutdruck kontrolliert und ggf. behandelt werden. Hoher Blutdruck führt bei Katzen nicht selten zu einer plötzlichen Erblindung durch eine Netzhautablösung. Auch das Herz sollte eingehend untersucht werden, und evtl. vorliegende Herzmuskelveränderungen oder Herzrhythmusstörungen entsprechend behandelt werden.
Medikamentelle Therapie
Bei der medikamentellen Therapie der Schilddrüsenüberfunktion ist heutzutage Carbimazol der Wirkstoff der Wahl. Alternativ kann Thiamazol (Methimazol) eingesetzt werden, welches jedoch mit einer geringradig höheren Nebenswirkungsrate behaftet ist, und als weniger verträglich gilt. Propylthiouracil sollte aufgrund der doch häufigeren Nebenwirkungen bei der Katze heutzutage nicht mehr eingesetzt werden.
Durch die Medikamentelle Therapie wird die Schilddrüsenhormonsynthese in den Schilddrüsenzellen blockiert. Dies geschieht auf eine sehr effektive Weise, allerdings muß man wissen, daß dadurch die Ursache der Schilddrüsenüberfunktion - das autonome Schilddrüsengewebe - nicht beseitigt wird, und die Katze beim Absetzen der Medikation innerhalb kurzer Zeit sich wieder in einer Schilddrüsenüberfunktion befindet. Das Medikament muss also für den Rest des Lebens gegeben werden.
Relativ häufig kommt es bei Beginn der Behandlung zu in der Regel geringgradigen Nebenwirkungen, die sich meist in Form von Teilnahmslosigkeit, Durchfall und Erbrechen äußern. Diese Nebenwirkungen sind in der Regel nur vorübergehend, und verschwinden wieder. Hin und wieder kommt es auch zu Hautproblemen (selbstzugefügte Kratzwunden an Kopf und Hals). Sehr selten kann es zu schwereren Nebenwirkungen, wie Blutbildveränderungen und Leberproblemen kommen. In diesen Fällen sollte das Medikament möglichst abgesetzt werden, und eine Radiojidtherapie oder Operation in Erwägung gezogen werden. Die Therapie muss durch regelmäßige Kontrollen beim Tierarzt überwacht werden.
Chirurgische Therapie - Thyroidektomie
Die Operative Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion führt in der Regel zu einer Heilung. Bei der chirurgischen Therapie wird das veränderte Schilddrüsengewebe entfernt. Befindet sich das veränderte Schilddrüsengewebe im Bereich, in dem die Schilddrüse normalerweise liegt, dann kann dieses in der Regel relativ einfach entfernt werden. Anders sieht es aus, wenn sich das veränderte Schilddrüsengewebe innerhalb des Brustkorbes befindet. Vor einer Operation wäre deshalb oft eine Szintigraphie sinnvoll, um abzuklären, wo sich überall autonomes Schilddrüsengewebe befindet. Bei der Operation muss darauf geachtet werden, daß die 4 kleinen lebensnotwendigen Nebenschilddrüsen geschont werden, sonst kann es nach der Operation zu Problemen mit dem Kalziumstoffwechsel (Hypocalzämie)kommen.
Es gibt verschiedene Operationsverfahren. Zum einen können die veränderten Schilddrüsenlappen vollständig entfernt werden, oder es kann nur das veränderte Schilddrüsengewebe, aus der die Schilddrüse umgebenden Bindegewebskapsel entfernt werden. Letzteres hat den Vorteil, daß die Nebenschilddrüsen besser geschont werden können, es kann aber vorkommen, daß einzelne autonome Zellen in der Kapsel zurückbleiben, welche nach einiger Zeit zu einem Rückfall führen können. Da im Operationsbereich auch wichtige Nerven verlaufen, besteht die Gefahr einer Nervenschädigung. Desweiteren muss beachtet werden, daß zur Durchführung der Operation eine längere Narkose notwendig ist, was bei Katzen mit einer Schilddrüsenüberfunktion problematisch sein kann, da diese u.a. häufig Herz-Kreislaufprobleme als Folge dieser Erkrankung haben. Bis zu einem gewissen Rahmen, kann man dieses Risiko mit einer geeigneten Medikation vor der Operation veringern. Oft wird vor der Operation die Schilddrüsenüberfunktion durch eine Therapie mit Thyreostatika (s.o.) behandelt, sowie Betablocker gegeben.
Nach der Operation sollte darauf geachtet werden, daß die Funktion der Nebenschilddrüse gewährleistet ist. Desweiteren kann es bei Entfernung des gesamten Schilddrüsengewebes zur Ausbildung einer Schilddrüsenunterfunktion kommen. Eine Schilddrüsenunterfunktion ist zwar weit weniger gefährlich als eine Überfunktion, sollte aber längerfristig durch die Zufuhr von Schilddrüsenhormonen (L-Thyroxin) ausgeglichen werden. Besteht nach der Operation weiterhin eine Überfunktion, dann ist dies ein Zeichen dafür, daß noch weiteres autonomes Schilddrüsengewebe (z.B. innerhalb des Brustkorbes) vorhanden ist.
Radiojodtherapie
Die Radiojodtherapie stellt im Grunde die optimalste und eleganteste Therapieform der Schilddrüsenüberfunktion dar, und wird auch in der Humanmedizin bereits seit Jahrzehnten erfolgreich angewendet. Sie ist für die Katze letztendlich auch die schonendste Therapieform, da sie bei excellenten Aussichten auf eine vollständige Heilung der Schilddrüsenüberfunktiuon so gut wie keine Nebenwirkungen aufweist. Laut amerikanischen Studien besteht bei dieser Therapieform eine über 90%ige Heilungschance. Der Grund, warum diese Therapieform hier erst an dritter Stelle anführe wird, liegt an der in Deutschland geringen Verfügbarkeit dieser Therapieform. So kann die Radiojodtherapie in Deutschland zur Zeit leider nur an der Justus-Liebig-Universität in Giessen durchgeführt werden. Die Ursache hierfür liegt in den in Deutschland sehr restriktiv gehandhabten Strahlenschutzbestimmungen.
Bild6: Unterbringung der Katze nach erfolgter Radiojodtherapie im Kontrollbereich
Bei der Radiojodtherapie wird der Katze eine bestimmte Menge radioaktives Jod-131 in der Regel intravenös verabreicht. Die Schilddrüse ist das einzige Organ des Körpers, welches Jod in größerem Ausmaß anreichert, wobei die Schilddrüsenzellen nicht zwischen "normalem Jod" und radioaktiven Jod-131 unterscheiden können. Das radioaktive Jod wird in den Stunden nach der Injektion nach und nach aus dem Blut in die Schilddrüsenzellen aufgenommen, und dort durch den Einbau in die Vorstufen der Schilddrüsenhormone im Schilddrüsengewebe fixiert. Nach ein paar Stunden hat sich ein beachtlicher Anteil des Jod-131 im Schilddrüsengewebe, und damit am Wirkort angereichert. Der Rest wird hauptsächlich über die Nieren, in geringerem Ausmaß auch über den Kot ausgeschieden.
Das radioaktive Jod-131 ist sowohl ein Betastrahler (schnelle Elektronen aus dem Atomkern) als auch ein Gammastrahler (elektromagnetische Strahlung). Die Betastrahlen haben im Gewebe nur eine sehr geringe Reichweite, auf der sie ihre gesammte Bewegungsenergie an das Tumorgewebe abgeben. Die Betastrahlung ist im Bereich des Schilddrüsentumors so intensiv, daß es in der Regel letztendlich zu einem Absterben des Tumorgewebes kommt. Aufgrund der geringen Reichweite, wird das umliegende gesunde Gewebe geschont. Bei der Mehrzahl der Katzen ist noch gesundes Schilddrüsengewebe vorhanden. Dieses bildet sich unter einer Schilddrüsenüberfunktion zurück, und nimmt somit auch kein Jod-131 auf. Da die Reichweite der Betastrahlen nur sehr gering ist, wird dieses Gewebe in der Regel nicht zerstört, und kann nach einer erfolgten Therapie durch das ansteigende TSH wieder reaktiviert werden, so daß sich wieder ein normaler Schilddrüsenhormonregelkreis entwickeln kann, und die Katze in der Regel keine Hormonsubstitution benötigt. Die Gammastrahlen tragen nur wenig zum Therapieergebnis bei, und ein Großteil verläßt die Katze unverändert. Diese Strahlung ist es auch, der man hauptsächlich ausgesetzt ist, wenn man sich in der Nähe der behandelten Katzen aufhält. Die zusätzliche Strahlenbelastung, zur sowieso ständig überall vorhandenen Umweltradioaktivität ist relativ gering. Problematischer ist die Ausscheidung des Jod-131 über Urin und Kot, welche v.a. in den Tagen nach der Therapie am ausgeprägtesten ist, dann aber auch sehr schnell abnimmt. Bei der Entlassung werden nur noch geringste Mengen ausgeschieden, und sind bei Einhaltung normaler hygienischer Maßnahmen relativ unbedenklich.
Leider existieren für die Veterinärmedizin noch keine Sonderregelungen, wie etwa beim Menschen. Rein rechtlich gesehen gelten für Katzen die gleichen Grenzwerte wie für Sachen, welche in der Strahlenschutzverordnung festgelegt sind. Für die Katzen bedeutet dies, daß sie den Kontrollbereich erst verlassen dürfen, wenn die Restaktivität den Grenzwert von 1 Megabecquerel (1MBq) unterschreitet, was in der Regel 2-3 Wochen dauert. Im Vergleich dazu dürfen radiojodbehandelte Menschen den Kontrollbereich bereits bei einer Restaktivität von 250MBq wieder verlassen. Für die Zukunft bleibt zu hoffen, daß es auch für Tiere entsprechende Ausnahmeregelungen geben wird, die eine frühere Entlassung ermöglichen. Eine Richtlinie zum Strahlenschutz in der Veterinärmedizin ist in Arbeit, und bringt dann auch hoffentlich die gewünschten Erleichterungen, auch in Hinblick auf eine weitere Verbreitung dieser Therapie.
Nach der Therapie sollte ebenfalls in regelmäßigen Abständen Kontrolluntersuchungen stattfinden, bei der die Nierenfunktion, sowie die Schilddrüsenfunktion kontrolliert werden. In seltenen Fällen kann es sein, daß weiterhin eine Schilddrüsenüberfunktion bestehen bleibt. Diese ist dann in der Regel weit weniger ausgeprägt, bedarf aber evtl. der Wiederholung der Therapie. Desweiteren kann es auch noch längere Zeit nach der Radiojodtherapie zur Ausbildung einer Schilddrüsenunterfunktion kommen, welche dann durch die Substitution von Schilddrüsenhormonen behandelt werden sollte.
Bild7: Katze Lisa im Kontrollbereich

© 2004 M. Knietsch